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#Produkttrends

Metallgewebe als Identitätsstifter

Goldene Membran für Kunstschule in Calais

Im Norden Frankreichs, nur durch den Ärmelkanal von England getrennt, liegt die Hafenstadt Calais. Seit 1994 ist sie durch den Eurotunnel mit dem englischen Festland verbunden. Als zweitgrößter Passagierhafen Europas – nach dem englischen Dover – lebt die rund 72.000 Einwohner zählende Stadt deshalb hauptsächlich vom Transit-Tourismus. Fischerei und Schifffahrt haben in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung verloren, so dass nur noch die Produktion von Klöppelspitzen für die Hersteller von Haute Couture an die frühere wirtschaftliche Bedeutung der Stadt erinnert. Mit einem 100 Millionen Euro schweren Infrastrukturprogramm wollen Politik und Region die von hoher Arbeitslosigkeit und zahlreichen Industriebrachen gezeichnete Hafenstadt wiederbeleben. Teil dieses Programms ist der Neubau der Kunstschule (Ecole d’Art de Calais) am Boulevard Jacquard im Stadtzentrum von Calais. Nach dem Entwurf des französischen Architekturbüros Arc.Ame erhielt sie als Zeichen des Beginns einer neuen Ära von Calais eine dreiteilige, gebogene Fassade aus goldenem Metallgewebe vom Typ Escale der GKD – GEBR. KUFFERATH AG.

Die Kunstschule von Calais blickt auf eine über 90-jährige Tradition in einem großen, stark in die Jahre gekommenen Bürgerhaus in der Rue des Soupirants zurück. Mit ihrem Angebot der technischen und theoretischen Einführung in die plastische und visuelle Gestaltung bereitet sie angehende Kunststudenten auf die anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen an Kunsthochschulen vor. Ein breites Spektrum an künstlerischen Disziplinen für Laien und angehende Profis begründet überdies ihren über Jahrzehnte gewachsenen guten Ruf. Schon lange erfüllten die beengten Räumlichkeiten auf mehreren Etagen und die brüchige Bausubstanz am bisherigen Standort nicht mehr die Anforderungen von Schülern und Lehrkörper. Mit dem attraktiven Neubau im Herzen des zentralen Stadtviertels Saint-Pierre de Calais entstand jetzt auf einer ehemaligen Industriebrache ein Kernelement der Stadterneuerung von Calais, dessen Name Programm ist: Le Concept. Arc.Ame-Architekten planten auf dem 3.220 Quadratmeter großen Areal ein markantes zeitgenössisches Ensemble, zu dem auf der Rückseite in der Rue Vauxhall 25 Wohneinheiten mit Südterrasse gehören. Als Symbol der wiederbelebten Stadtmitte ist der dreigeschossige Bau zugleich ein Begegnungsraum mit Kunst und Künstlern, der für Schüler und Bürger gleichermaßen zugänglich ist. Seine Bauhöhe passt sich sensibel den alten Stadthäusern auf dem Boulevard Jacquard an. Auf den flüchtigen Betrachter wirkt der kompakte, dreigliedrige Baukörper wie drei einzelne Gebäude aus Beton, Glas und Metallgewebe. Die Glasfassaden, die über die gesamte Gebäudehöhe reichen und durch dunkle Sprossen großflächig strukturiert werden, zeigen die Leitmotive der Architekten für diesen Bau – Transparenz und Licht. Ihr subtiles Spiel variiert tageszeit- und raumabhängig und symbolisiert damit aus Sicht der Architekten das Wesen von Kunst: permanente Veränderung als Widerhall der aktuellen Umgebung und subjektive Wahrnehmung. Die leicht gebogenen Fassaden der drei Gebäudeelemente erinnern in ihrer Formgebung an nebeneinander aufgereihte Rollladenschränke und spiegeln so den Werkstattcharakter der Kunstschule wider. Ein Eindruck, der durch die vorgehängten Fassadenelemente aus goldfarbigem Aluminiumgewebe, die wie hochgezogene Jalousien wirken, unterstrichen wird. Die in den weiß getünchten Beton eingelassene Inschrift dekorativ und industriell steht für die beiden Pole der hier vermittelten Kunst.

Puristische Transparenz

In dem mittleren Gebäudeteil zieht eine 320 Quadratmeter große pfostenlose Eingangshalle mit fünf Meter hoher, geschwungener Decke den Besucher geradezu magisch in das Gebäude hinein. Die puristische Linienführung der Halle vermittelt durch große Glasflächen an einer Empore und an der Stirnwand sowie zahlreiche Fenster und Türen, die teils nach draußen, teils aber auch in Nachbarräume führen, den Eindruck maximaler Offenheit und Transparenz. Boden, Wände und Decke sind ganz in Weiß gehalten. Naturbelassenes Holz an zwei schmalen Wandtresen, die mit vereinzelten filigranen Hockern in Bordeaux und Grün zwei Wände säumen, setzen behutsame, natürliche Farbakzente. In dem links von der Eingangshalle gelegenen Gebäudeteil befindet sich im Erdgeschoss ein 200 Quadratmeter großer Saal für Bildhauerei und Keramikkunst. Den dritten Gebäudeflügel prägt an gleicher Stelle ein großes Atelier für Malerei. In den ersten und zweiten Etagen sind darüber hinaus zahlreiche Kursräume, Werkstätten und Ateliers für Malerei, Gravur- und Textilkunst, Foto und Multimedia untergebracht. Auch hier dominieren Weiß und Glas, gepaart mit schwarzen Fensterrahmen. Vereinzelte Farbakzente – beispielsweise an den Türzargen – in Orange, Gelb und Hellgrün verleihen den Räumlichkeiten ihre frische, heitere Wirkung. Im Erdgeschoss des zehn Millionen Euro teuren Baus laden temporäre Ausstellungen und eine neue Kunstbibliothek zum Verweilen ein.

Symbolträchtiger Sonnenschutz

Die Konstruktion aus Fertigbetonteilen verdeutlicht die skulpturale Dimension des Gebäudes. Ihre raue Oberfläche bildet einen bewussten Kontrast zu dem glatten Glas und dem Glanz der metallischen Haut. Diese Metallfassade verstehen die Architekten als zentralen Bedeutungsträger und architektonische Signatur. Ihr warmer Goldton steht dabei stellvertretend für die Gebäudefunktion als Hort einer Kunstschule. Da in allen künstlerischen Disziplinen Metall direkt oder indirekt mit einfließt, soll sie die angehenden Künstler zur Reflexion über die Bedeutung der Materialwahl und Farben, ihrer Beschaffenheit und Kombination bei der Umsetzung ihrer Werke inspirieren. Zugleich übernimmt das semitransparente Metallgewebe die Aufgabe einer schützenden Membran zwischen Außenwelt und Innenleben der Schule. So wird dem gewünschten Grad an künstlerischer Intimität ebenso Rechnung getragen wie dem erklärten Wunsch nach Transparenz für die Bürger der Stadt. Abends wird die Metallfassade bei innen beleuchtetem Gebäude transparent und bietet so ungehinderte Einblicke in die Räumlichkeiten, während tagsüber die Reflexion der Sonnenstrahlen die Kunstschule in ein kostbar schimmerndes Kleinod verwandelt. Diese außergewöhnliche Ästhetik paaren die gewebten Fassadenelemente mit effektivem Blend- und Sonnenschutz. So filtern sie weiches Licht für die nach Osten ausgerichteten Ateliers und verhindern überdies das Aufheizen des gesamten Schulgebäudes. Neben Aufenthaltskomfort leisten sie dadurch einen wertvollen Beitrag zu dem anspruchsvollen Nachhaltigkeitskonzept der Kunstschule. Von allen Räumen seh- oder auch begehbare bepflanzte Innenhöfe, begrünte Dächer oder auch von Kletterpflanzen umspielte Mauern stehen hierfür ebenso wie Solarpaneelen auf der Südseite des Gebäudes, wo die flexibel zu gestaltenden Wohnungen liegen. Für Schüler und Bürger ist die großformatige, dreiteilige textile Membran jedoch vor allem eine identitätsstiftende Visitenkarte, die die jahrhundertealte Tradition des Klöppelhandwerks ebenso visualisiert wie das künstlerische Handwerk zeitgenössischer Gestaltung.

Metallmasche als Identitätsschöpfer

Infos

  • Calais, France
  • GKD - GEBR. KUFFERATH AG