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#Inspirationen

„Grüne Welle“ an der A40

Begrüntes Schrägdach der Raststätte Beverbach

Dachbegrünungen auf flachen Dächern sind in der modernen Architektur schon fast normal. Bei steilen Dächern üben sich immer noch zu viele Bauherren und Architekten in großer Zurückhaltung. Im Auftrag der Aral Aktiengesellschaft entwarf der Architekt Manfred Beier couragiert ein als Welle geschwungenes und begrüntes Dach für eine Raststätte. Der Dachdecker und Dachgärtner Jürgen Quindeau konnte mit seiner Mannschaft von GRÜN+DACH unter Beweis stellen, dass es auf grünen Dächern auch mal schräg zugehen kann. Die passende Technik dafür lieferte ZinCo mit dem Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“.

Die Lücke wurde geschlossen

Die Autobahn A40 ist verkehrstechnisch betrachtet eine der Hauptschlagadern im Ruhrgebiet. Sie reicht über eine Strecke von etwa 100 Kilometern vom holländischen Venlo im Westen über Duisburg, Essen und Bochum bis nach Dortmund im Osten. Als „Stau-Hotspot“ ist sie über die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus bekannt, denn für Güterverkehr und Pendler im Ruhrgebiet ist sie unverzichtbar. Allerdings gab es bis zum Jahr 2014 nur eine einzige Tank- und Rastanlage an dieser wichtigen Autobahn, und zwar in Fahrtrichtung Venlo.

Erst im Herbst 2014 nahm die Raststätte Beverbach auf der anderen Seite der Autobahn, an der Grenze zwischen Bochum und Dortmund ihren Betrieb auf. Der Bauherr Aral sagt: „Mit ihrem besonderen Design und dem innovativen Konzept ist die Tank- und Rastanlage in Beverbach eine der originellsten und modernsten Stationen ihrer Art in Europa“. Und in der Tat hat das Architekturbüro Manfred Beier ein innovatives Gebäude geschaffen, das mit Hilfe von Sonnenkollektoren, Photovoltaikmodulen und Dachbegrünung ernergieneutral daherkommt. Die Inneneinrichtung der Raststätte ist modern und überzeugt mit vielen ausgefallenen Ideen. Der äußere Erholungsbereich mit Spielplatz liegt abgewandt von der Autobahn. Die Raststätte ist schon von weitem gut sichtbar, denn zum Gebäudeensemble gehört auch der Nachbau eines 16 Meter hohen Förderturms mit zwei Aussichtsplattformen.

Steiler als eine schwarze Piste

Die „Grüne Welle“ beeindruckt mit ihrer geschwungenen Form und ihrer starken Neigung. Die Dachneigung erreicht im steilsten Abschnitt 32 Grad (63 %) und um das einordnen zu können, hilft der Vergleich zu alpinen Skipisten, die bereits ab 22 Grad (40 %) schwarz gekennzeichnet werden.

Die Ausführung der Dachabdichtung und der Begrünung musste zwingend eng aufeinander abgestimmt werden. Die Firma GRÜN + DACH erschien dem Auftraggeber ideal für die anstehenden Arbeiten, denn diese ist Dachdecker- und Garten- und Landschaftsbaufachbetrieb, kurz Dachgärtner. Durch sie wurde das Leistungsverzeichnis in Teilen modifiziert und im Juli 2014 begannen die Abdichtungs- und Begrünungsarbeiten.

Dachabdichtung mit Kunststoffbahnen Grundlage des Dachaufbaues sind sogenannte Sandwichelemente, also ein trapezprofiliertes Flachdachsystem mit Dämmkern, das in Bauteilen von einen Meter Breite und Längen von bis zu dreizehneinhalb Meter auf eine vorher montierte Konstruktion aus gebogenen Leimbindern befestigt wurde. Die Außenhülle der Sandwichelemente besteht aus vollverzinktem Stahlblech.

Um darauf die Lagesicherung der Dachabdichtung zu gewährleisten, wurde zuerst ein Haftvermittler vollflächig auf die Metalloberfläche aufgetragen. Die einlagige und wurzelfeste Dachabdichtung mit Bahnen aus Ethylen-Vinylacetat-Terpolymer (EVA) mit unterseitiger Kaschierung aus Polyestervlies und Selbstklebeschicht wurde dann auf der Dachfläche vom First zur Traufe ausgerollt, ausgerichtet und dann durch das Herausziehen einer Trennfolie dauerhaft mit dem vorbereiteten Untergrund verklebt.

Anschließend wurden alle Nähte durch Quell- oder Warmgasschweißen homogen geschlossen und nach erfolgter Nahtprüfung versiegelt. Gerade auf geneigten Dachflächen ist die Wurzelfestigkeit eine wichtige Eigenschaft, denn eine zusätzliche Wurzelschutzfolie, wie sie auf Flachdächern oft verwendet wird, ist auf geneigten Dächern nicht lagesicher zu verlegen.

Nach der Fläche wurden alle Details abgedichtet. Neben dem Dachrand wurden Lüfter, Dacheinläufe, Kabeldurchführungen, Ständer für das Sicherungssystem und Konsolen für die Kollektoren fachgerecht an die Dachabdichtung angeschlossen, die Nähte wiederum kontrolliert und versiegelt. Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass höchste Qualität bei der Nahtfügung verlangt werden muss, wenn ein Dach begrünt wird, denn später eine Leckage zu orten und zu beheben, ist sehr aufwendig. Aus optischen Gründen war auf der Dachfläche kein Rand mit einer Kiesschüttung erwünscht, weshalb ein Winkelprofil aus Aluminium um fünfzig Zentimeter eingerückt und umlaufend, parallel zum Dachrand fixiert wurde. Dieses Dachtraufprofil DP 120 aus Aluminium ist mehrfach gekantet und hat eine Höhe von 120 mm. Es ist mit Entwässerungs-Schlitzöffnungen ausgestattet und der Auflageschenkel ist gelocht für die Fixierung durch Aufschweißen von Folienstreifen auf der Dachabdichtung.

Schubschwellen verhindern das Abrutschen der Begrünung

Zur Lagesicherung des Begrünungsaufbaus auf einer Gesamtlänge des Daches zwischen Traufe und First von ungefähr 25 Meter in der größten Ausdehnung und einem Höhenunterschied von 5,70 Metern müssen besondere Maßnahmen ergriffen werden. Es gab im Vorfeld unterschiedliche Denkansätze zwischen Aufhängen und Abstützen der Dachbegrünung. Durchgesetzt hat sich schließlich die Variante, bei der sich der Begrünungsaufbau an Schubschwellen abstützt. Dazu wurden zuerst in Meterschritten die anfallen Lasten ermittelt, die jeweils auf die Schubschwellen treffen, und danach wurde die Dimension der Schwellen und deren Befestigung errechnet. Die unterste Schwelle sitzt bei 10 Grad Dachneigung und auf ihr lasten etwa 320 kg/m im wassergesättigtem Zustand, auf der mittleren Schubschwelle bei 27 Grad sind es 455 kg/m und auf der oberen bei 20 Grad ca. 260 kg/m.

Im Ergebnis wurde ein Konstruktionsvollholz (KVH) in 6 x 6 cm durch die Abdichtung in den Sandwichelementen mit Edelstahlschrauben 6,3 x 115 mm in einem Abstand von 25 cm verschraubt. Anschließend wurden die Schwellen mit Zuschnitten der Abdichtung eingefasst und mit der Flächenabdichtung homogen verschweißt.

Die Baulänge der Schubschwellen ist auf maximal fünf Meter begrenzt, danach gibt es immer eine Unterbrechung, damit es oberhalb nicht zu einem Wasseranstau kommen kann, der sich im Vegetationsbild der Begrünung bemerkbar machen würde.

Dachbegrünung in vier Schritten

Im ersten Schritt der Begrünungsarbeiten wurde über die gesamte zu begrünende Fläche die Speicherschutzmatte SSM 45 verlegt, eine verrottungsfeste Fasermatte aus Polyester/Polypropylen mit eingenadeltem Trägervlies. Dieses Geotextil funktioniert nicht nur als Schutzlage für die Dachhaut, sondern kann auch Wasser bis zu 5 l/m² speichern. Darauf folgte in einem zweiten Schritt das Kernstück des Systemaufbaus „Begrüntes Schrägdach“: das schubabtragende Dränageelement Floraset® FS 75 besteht aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum in einer Höhe von 75 mm, mit hohen Noppen zur Verzahnung des Vegetationssubstrats und zur Aufnahme des Substratschubs. Es verfügt über Wasserspeichermulden, Öffnungen zur Belüftung und Diffusion, sowie einem unterseitigem Mehrrichtungskanalsystem, um überschüssiges Regenwasser sicher abzuführen. Bei einem Eigengewicht von ca. 1 kg/m² bietet es eine Druckbelastbarkeit von ca. 25 kN/m². Auf der „Grünen Welle“ stützen sich jeweils bis zu fünf Reihen bzw. fünf Meter dieser Dränageelemente auf die Schubschwellen.

Auf Grund des „schwierigen Geländes“ wurden Fasermatte und Dränage natürlich Reihe für Reihe von unten nach oben verlegt, wobei gerade im steilsten Bereich mit großer Vorsicht agiert werden musste, um nicht mit allen Bauteilen nach unten zu rutschen.

Das gilt natürlich erst recht beim Aufbringen des Dachsubstrates im dritten Schritt, das ebenfalls von der Traufe zum First hin aufgebracht wurde. Angeliefert im Silofahrzeug wurde es durch Schläuche auf das Dach geblasen, was mehr Personal erforderte als auf einem Flachdach. Bis zu fünf Dachgärtner bewegten den Förderschlauch über das Dach, um das Dachsubstrat gleichmäßig mit einer Menge von 100 l/m² aufzubringen und zu planieren. Das verwendete Vegetationssubstrat „Steinrosenflur“ für extensive Dachbegrünungen besteht aus Recycling-Tonziegeln Zincolit® und ausgesuchten mineralischen Zuschlagstoffen, angereichert mit Zincohum (Substratkompost und Faserstoffen). Es entspricht den Anforderungen der FLL-Richtlinien an Vegetationssubstrate für Extensivbegrünungen in Mehrschichtbauweise und Vorgaben der Düngemittelverordnung. Es ist flugfeuerbeständig, frostbeständig und strukturstabil. Seine maximale Wasserkapazität beträgt ca. 40 Vol.-% bei einem Volumengewicht von bis zu 1400 kg/m³ in wassergesättigtem Zustand.

Der vierte und letzte Arbeitsschritt umfasste das Aufbringen der Pflanzen, was auf der „Grünen Welle“ in Form von vorkultivierten Pflanzenmatten geschah, die auf dem Dachsubstrat verlegt wurden. Diese Vegetationsmatten wurden über eine Vegetationsperiode im Freien für die schnelle Flächendeckung, speziell auf Schräg- und Tonnendächern oder auf windexponierten Dachflächen, mit vier bis acht bewährten Sedum-Sorten auf einer Trägereinlage vorkultiviert. Das ist vergleichbar mit der Anzucht und Verwendung von Roll- oder Fertigrasen, nur dass die als Rollen gelieferten Pflanzenmatten in der Regel größer und schwerer sind. Die hier verwendeten Matten hatten eine Größe von 1,00 x 2,00 Meter mit einem Liefergewicht von etwa 40 kg pro Rolle. Sie wurden auf dem Dach dicht gestoßen verlegt, eine Arbeit, die wiederum im Steilhang besonders hohe Ansprüche an die Geschicklichkeit, Kraft und Standfestigkeit der Dachgärtner gestellt hat. Mit der durchdringenden Startbewässerung wurden die Begrünungsarbeiten dann beendet und nach vier bis sechs Wochen waren die Pflanzenmatten schon gut im Substrat verwurzelt und zur Pflege begehbar. Der Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“ sorgt dauerhaft für Lagesicherheit und Pflanzenwachstum.

Mehr Mut zu schrägen Dächern

Die Raststätte Beverbach ist in der Tat innovativ und ihr Erscheinungsbild sehr markant. Nicht nur der ruhrgebietstypische Förderturm mit seinen Aussichtsplattformen, sondern auch die „Grüne Welle“, die 590 m² große Dachbegrünung auf der elegant geschwungenen Dachkonstruktion, tragen zu diesem Eindruck bei. Es ist zu wünschen, dass sich immer mehr Bauherren und Architekten an solche Dachformen herantrauen, denn erfahrene Dachgärtner haben die technischen Mittel und das Knowhow zur Umsetzung, sie warten nur darauf, dies auch anzuwenden. Und während die Autofahrer auf der Autobahn A40 häufig nicht die sprichwörtliche „Grüne Welle“ haben, so können sie diese auf der Raststätte Beverbach wenigstens bei einer Pause bewundern.

Das gebogene grüne Dach der Beverbach-Autobahntankstelle

Infos

  • Lise-Meitner-Straße 2, 72622 Nürtingen, Germany
  • ZinCo GmbH